Wenn Retter plötzlich Kriminelle sein sollen
Die Politik vergisst, dass Retten auf hoher See Pflicht ist, sagt Markus Schildhauer, Leiter der Seemannsmission in Alexandria. Er plädiert dafür, den Kuhhandel um Leben und Tod zu beenden.
Was bedeutet es für Seefahrer, wenn sie Schiffe in Seenot sehen oder von ihnen gerufen werden?
Markus Schildhauer: Ein Schiff in Seenot muss gerettet werden. Das ist Gesetz.
Aber retten ist problematisch geworden.
Schildhauer: Das war es für die Crews von Handelsschiffen schon immer. Handelsschiffe sind nicht zur Rettung ausgelegt. Die glatte Bordwand ist mindestens 10 Meter hoch. Wie bringt man Menschen von einem Schlauchboot da hinauf? Es gibt Seilleitern, aber wer nicht geübt oder geschwächt ist, schafft das nicht, geschweige denn Frauen mit kleinen Kindern. Menschen fallen ins Wasser, können nicht schwimmen und ertrinken vor den Augen der Crew. Und dann gibt es noch das andere Problem: Das liebe Geld. Die Zeit ist knapp bemessen, jede Verzögerung kostet. Dann wird das Schiff womöglich tagelang im Hafen festgehalten, weil es Flüchtlinge gebracht hat. Auch das sind enorme finanzielle Ausfälle. Da bedankt sich die Unternehmensleitung schön. Manchmal werden die Besatzungen angewiesen, nicht zu helfen, wenn Andere auch in der Nähe sind. Sie fahren weiter, mit dem Wissen, dass deswegen Menschen sterben. Beides traumatisiert.