DSM e.V.
Ehrenpreis vergeben
Die Deutsche Seemannsmission (DSM) hat im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung am 16.10. 2021 ihren Ehrenpreis an den Schifffahrtspsychologen Professor Dr. rer. pol., Dipl.-Psychologe Hans-Joachim Jensen und den Arbeitsmediziner PD Dr. med. Marcus Oldenburg, beide Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin in Hamburg verliehen.
Die Wissenschaftler engagieren sich mit ihren Forschungsarbeiten in besonderer Weise für das Wohl und bessere Arbeitsbedingungen von Seeleuten und verfolgen damit die Ziele der DSM, so Dr. Clara Schlaich, Präsidentin der Deutschen Seemannsmission.
Der Arzt und der Psychologe sind an der einzigartigen Forschungseinrichtung zur Gesundheit von Seeleuten tätig. Gemeinsam entwickelten sie wissenschaftliche Methoden zur Erfassung psychischer Gefährdungen an Bord: „Seeleute leben in einem geschlossenen sozialen System an Bord, es gibt keinen Unterschied von Arbeits- und Wohnort, die soziale Kommunikation beschränkt sich auf die Crew in einem hierarchischem System; gerade in Stresssituationen brauchen Seeleute den Ausgleich durch Kommunikationspartner außerhalb des „Systems Schiff“, so Oldenburg und Jensen.
Psychische Krisen an Bord müssen genauso ernst genommen werden, wie körperliche Krankheiten. Crews mit gestressten, übermüdeten oder depressiven Seeleuten sind in Krisensituationen fehleranfällig. Oft bleibt uns Medizinern keine andere Möglichkeit, als Seeleute „unfit for duty“ nach Hause zu senden; hier sind Vorbeugung und Hilfsangebote gefragt, auch um im schlimmsten Fall Suizide zu verhindern, sagte Laudator Dr. Rob Verbist (Antwerpen), Präsident der International Maritime Health Association.
Die Angst fährt immer mit stellt Seemannsdiakon Dirk Obermann, Stabsstelle für die Psychosoziale Notfallversorgung der Deutschen Seemannsmission fest, deshalb bieten wir Hilfe bei traumatisierenden Ereignissen wie Bränden, Kollisionen, Schiffsverlust, aber auch bei schweren Verletzungen, Person über Bord, Todesfällen und Suiziden an Bord. Besonders belastend sind Piratenüberfälle und Flüchtlingsrettungen.
In der großen Forschungsstudie des Instituts, der „Hamburg Seafarer Study“, gaben 36% der Seeleute an, Havarien und schweren Unfällen erlebt zu haben, 17% erlebten Bedrohung durch Piraterie. Das Risiko, im Laufe des seemännischen Berufslebens traumatisiert zu werden, kann daher als hoch eingeschätzt werden, so Oldenburg und Jensen. Sie betonen, dass eine psychosoziale Notfallversorgung nach einem potentiell traumatischen Ereignis eingehende Kenntnisse über die Arbeits- und Lebenssituation in einer multikulturellen und mehrsprachigen Besatzung der Betroffenen erfordere.
In ihrer 2019 im Journal of Occupational Medicine and Toxicology veröffentlichten Studie zur Rolle von Sozialeinrichtungen in Häfen „Maritime welfare facilities - utilization and relevance for the compensation of shipboard stress“ stellten Oldenburg und Jensen fest, dass die Seemannsclubs wichtige und wirksame Erholungsorte für Seeleute sind, diese aber wegen der kurzen Hafenliegezeiten, der hohen Arbeitsbelastung in den Häfen oder aufgrund fehlender Informationen über die Wohlfahrtseinrichtungen und Transportmöglichkeiten, teilweise nicht in Anspruch genommen werden.
Es ist ein Skandal, dass Seeleute in den weltweiten Häfen kaum Möglichkeit zum Landgang haben, das ist ein klarer Bruch internationaler Konventionen. In unseren Einrichtungen der Seemannsmissionen erleben wir, dass die Seeleute häufig als Risiko für Krankheitsverschleppung gesehen werden und dass ihre Bedürfnisse keine Rolle spielen; Seeleute sind die stummen Opfer der Coronakrise, wir dagegen tun alles, um ihre Lage zu verbessern, so Dr. Clara Schlaich, Präsidentin der Deutschen Seemannsmission.
Zur Person der Preisträger:
Professor Dr. rer. pol. Hans Joachim Jensen, 1935 in Leipzig geboren, floh 1950 aus der DDR, arbeitete zunächst als Bergmann und war nach dem Nautikstudium als Schiffsoffizier in der Trampschifffahrt tätig. Er studierte Psychologie und später Ökonomie und war zuletzt als Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Flensburg tätig. Seit seiner Emeritierung im Jahr 2000 arbeitet er mit Dr. Oldenburg zusammen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die interkulturellen Aspekten an Bord, sowie Crowd & Crisis Management.
PD Dr. med. Marcus Oldenburg, ist Arbeitsmediziner und seit 2004 Leiter der Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin am Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die psychomentale und psychosoziale Belastung von Seeleuten, IT basierte Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement an Bord, Telemedizin und Notfallmanagement. Er leitet den medizinischen Wiederholungslehrgang für nautische Schiffsoffiziere am ZfAM und ist Mitglied in verschiedenen Fachgesellschaften und Ausschüssen, unter anderem für die medizinische Ausstattung in der Seeschifffahrt.