Bordbesuch in den Bremer Häfen
Am 1. Oktober feierte die evangelische Deutsche Seemannsmission ihr 125-jähriges Bestehen. Auf Schiffen, in Seemannsklubs und in Seemannsheimen auf mehreren Kontinenten leistet das Hilfswerk der Diakonie Seelsorge und Sozialarbeit für Seeleute aus aller Welt - unabhängig von Herkunft und Religion. Ein Bordbesuch in den Bremer Häfen mit Seemannspastorin Jutta Bartling.
Ein wolkenverhangener Mittwochmorgen in der Bremer Seemannsmission, Deutschlands ältester Seemannsmission. Klackerndes Geschirr bei den Frühstücksvorbereitungen. Ein Seemann schlurft durch den geräumig-hellen Clubraum vorbei an der Fernsehecke mit Schiffsmodellen, Zigarettenautomat und Mini-Kicker. Erst mal eine rauchen draußen im Innenhof mit dem stählernen Anker. An der Rezeption gibt es Hygieneartikel für Männer, in einer Glasvitrine im Flur maritimen Nippes aller Art. Letzter Eintrag im Gästebuch: „To all the girls I loved BE4: Thank you for loving me“.
Die erste Frau in der Bremer Seemannsmission
Im Büro von Jutta Bartling läuft der Computer, die Seemannspastorin prüft die Liste des Schiffsmeldedienstes. Schiffsbesuche im Bremer Hafengebiet gehören zum festen Programm der Mission, die vor über 150 Jahren ein frommer Bremer Reeder gegründeten hat - damals noch als sittenstrenger Unterschlupf für Matrosen und Schiffsjungen, heute Heim für Seeleute auf der Durchreise und längst auch Anlaufstation für Touristen. Nebenan, eine Tür weiter ist das Büro der international tätigen Deutschen Seemannsmission, die dieses Jahr 125 Jahre alt wird. „Wir wollen den Seeleuten ein Zuhause in der Fremde bieten“, sagt Jutta Bartling, 54 Jahre alt, eine kräftige, selbstbewusste Frau, eigentlich erklärte Landratte aus Ostwestfalen. Seit zwei Jahren ist sie die erste Pastorin in der Geschichte der Bremer Seemannsmission. Um bei der Crew für dieses vorübergehende Zuhause zu werben, gibt es die Bordbesuche.
Menschliche Würde in einer harten Arbeitswelt
An der Rezeption holt sich Bartling einen Stapel Telefonkarten und Ausdrucke internationaler Zeitungen. Kontakt der Seeleute zum Rest der Welt, jenseits der beengten Bordroutine, nach Monaten fern von Heimat und Familie und wenig Intimsphäre - „Seelsorge der elementaren Art“, sagt Jutta Bartling. Gelbe Sicherheitshelme werden eingepackt, im Kleinbus der Seemannsmission ein letzter Funkcheck: „Seemann an Rezeption, Seemann an Rezeption“. Die Verbindung steht, erstes Ziel ist Terminal 3 auf dem Gelände der Bremer Stahlwerke.
Auf der Fahrt erzählt die Seemannspastorin über ihre Arbeit, die längst auch zur Leidenschaft geworden ist. „Man muss schon eine gestandene Person sein, um bei den Seemännern den richtigen Ton zu treffen“, weiß die mehrsprachige Frau, die zuvor im Bremer Stadtteil Neue Vahr Nord, einem sozialen Brennpunkt, tätig war. Seeleute seien zwar oft raue Gesellen, sagt sie, aber „ihre Würde, die ist leicht zu verletzen.“ Menschliche Würde, von Gott gegeben, in einer harten, von Technik geprägten Arbeitswelt, darum geht es der Seemannsmission, die sich als Kirche der Seeleute versteht. „Support of seafarers' dignity“ steht unter dem Zeichen der Organisation, das aussieht wie ein lächelnder Anker.
„Wir haben hier alles, was schmutzig ist und stinkt“
Ankunft auf dem riesigen Areal der Bremer Stahlwerke. Die Fahrt führt direkt durch die apokalyptische Kulisse der rußgefärbten Hochöfen, ein organisches Geflecht aus Schienen, Rohren und Förderbändern, in der Luft liegen Rauchschwaden und der Geruch von Schwefel. „Wir haben hier alles, was schmutzig ist und stinkt“, sagt Pastorin Breitling schmunzelnd. An Terminal 3 liegt seit dem Vortag die Weser Stahl, ein Massengutfrachter mit Eisenerz unter zypriotischer Flagge, 27 Mann Besatzung, vorwiegend aus Indien. „Good Morning, Seamen's Club“, sagt Jutta Bartling in freundlich-festem Tonfall, als sie an Bord des Schiffes klettert. Einfache Worte, die aber schon mal „die Sonne im Gesicht eines Seemanns aufgehen lassen“, wie sie nüchtern feststellt.
Schiffe kommen wieder, Seeleute nicht immer
Terminal 1 im Industriehafen. Pawel kommt aus Rumänien, ist 62 Jahre alt und hat eigentlich kaum Zeit, als Pastorin Bartling die wacklige Gangway des Frachters Katharina empor kraxelt. „Sorry, Inspektion“, sagt der kleine Mann mit dem wettergegerbten Gesicht. Freundlich bleibt er trotz Stress. Ein paar kurze Sätze auf Französisch, auch er kennt den Seemannsclub. Vielleicht will er am Abend noch den hauseigenen Shuttle-Service anrufen, mit dem die Seeleute umsonst aus den weit entfernten Hafengebieten in die Bremer City kutschiert werden.
Letzte Station von Jutta Bartling an diesem Vormittag ist die Isidor, aus Schweden kommend mit dem Ziel Sankt Petersburg. Von dort stammt auch ein weiterer Pawel. Der Anfang 30-Jährige nimmt den „Shore Leave Guide“, ein Info-Blättchen über die Angebote der Seemannsmission, gerne an. Ein kurzer Smalltalk mit Jutta Bartling über die Attraktionen Sankt Petersburgs auf Russisch. Die Pastorin beherrscht auch diese Sprache. „Spasiba“, „Doswidanja“, heißt es zum Abschied, Danke und Tschüss, übersetzt Jutta Bartling: „Auf Wiedersehen sagt man nicht“.
Text und Fotos: York Schäfer - gefunden auf www.diakonie.de