Seemannsmission sieht Schiffsbesatzungen durch Piratenattacken weiter massiv belastet
Bremen (epd). Trotz einer rückläufigen Zahl der Attacken belastet die weltweite Piraterie die Seeleute auf den Hochseeschiffen nach Beobachtungen der Deutschen Seemannsmission massiv. "Die Piraten setzen schwerere Waffen ein, sind brutaler, verletzen bewusst und nehmen auch Tote in Kauf", sagte die Generalsekretärin der Organisation in Bremen, Heike Proske, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Landgericht in Osnabrück hat am Dienstag das Hauptverfahren gegen einen mutmaßlichen Piraten aus Somalia eröffnet.
Dass die Piraterie rückläufig ist, geht aus Dokumentationen des Internationale Maritime Bureau (IMB) hervor. Demnach sank die Zahl der Angriffe im vergangenen Jahr auf 264 und damit auf den niedrigsten Stand seit 2006. Zwölf Schiffe seien gekapert, mehr als 300 Besatzungsmitglieder als Geiseln genommen und ein Seemann getötet worden. Im Vorjahr zählte die Organisation noch 297 Vorfälle, 2011 waren es 439. Hauptgrund für den Rückgang sei der Marineeinsatz gegen die Piraten vor der somalischen Küste, hieß es.
"Der Druck dort muss aufrecht erhalten werden, sonst geht vor Somalia alles wieder los", sagte Proske. In den Gesprächen, die die Seemannsmission in ihren Clubs mit Besatzungsmitgliedern führe, bestätige sich überdies die IMB-Beobachtung, dass sich die Piraterie mehr und mehr auf die See vor Westafrika verlagere. "Die Unsicherheit steigt. Früher war klar, dass die Piraten vor Somalia lauern, jetzt weißt du nicht mehr, wo sie zuschlagen, wie auch Angriffe vor Brasilien zeigen", erläuterte Proske. "Die Sorgen der Seeleute sind enorm groß, Familien bangen um ihre Angehörigen an Bord."
Viele hätten Angst, fast auf jedem Schiff sei jemand, der schon einen Angriff erlebt habe. Wenn Seelsorger die Männer auf diese Situation ansprächen, "sprudelt es nur so aus ihnen heraus". Noch im November habe sie den Club der Deutschen Seemannsmission im westafrikanischen Lomé besucht. "Da gibt es keinen Seemann, der nicht darüber spricht." Schiffe kämen nur zum Be- und Entladen in den Hafen. "Nachts liegen sie möglichst draußen auf Reede, weil die Kapitäne Piraten-Überfälle von der Landseite her befürchten."
Besonders deutsche Reeder sorgten nach einem Überfall problemlos für psychosoziale Hilfen, lobte Proske. "In anderen Ländern wie beispielsweise Griechenland ist das nicht so", kritisierte die evangelische Theologin und Schifffahrtsexpertin. Auch in der Vorsorge habe sich die Perspektive mittlerweile gedreht. "Wir gehen mittlerweile in Ausbildungsstätten für nautische Berufe und informieren über den emotionalen Umgang mit Stresssituationen."
Die Deutsche Seemannsmission unterhält im Ausland ein Netz von 16 Stationen. In Deutschland gibt es ebenfalls 16 Standorte, die von eigenständigen Inlandsvereinen getragen werden. Insgesamt begleiten mehr als 700 Haupt- und Ehrenamtliche der Deutschen Seemannsmission Menschen an Bord und in den Häfen mit sozialen Hilfen und Seelsorge.