Einsamkeit oft das größte Problem
Seemannsmission feierte in voll besetzter St. Petri-Kirche Gottesdienst zum traditionellen „Sonntag der Seefahrt“
von Thomas Sassen
CUXHAVEN. Ein außergewöhnlicher „Fall“ mit Beispielscharakter stand diesmal im Mittelpunkt des „Seemannssonntag“ in der St. Petri-Kirche. Der Leiter der Wasserschutzpolizei in Cuxhaven, Erster Polizeihauptkommissar Ingo Zegenhagen (kl. Foto hier unten), erinnerte in seinem Votum an drei „Geisterschiffe“.
Gemeint ist das Schicksal der 41 Seeleute, die an Bord von drei aufgegebenen Maersk-Containerschiffen im vergangenen Jahr auf einem Ankerplatz in der Deutschen Bucht in eine extreme menschliche Notlage geraten waren. Fast sechs Wochen hatten sie auf Reede gelegen, ohne dass sich Reeder und Charterer um die Schiffe gekümmert hätten. Zegenhagen wollte den Fall als Beispiel dafür verstanden wissen, was sich fast täglich an menschlichen Tragödien in der unter mörderischem Konkurrenzdruck stehenden internationalen Schifffahrt abspielt. Martin Struwe, Leiter der Cuxhavener Seemannsmission und Organisator des Sonntags der Seefahrt, unterlegte dies anschließend mit handfesten Zahlen. Er sprach anwesende Seeleute auch in Englisch an.
264 Piratenüberfälle
über 1000 Seeleute sind danach im Laufe des vergangenen Jahres in Ausübung ihres Berufes sogar ums Leben gekommen. 304 Seeleute wurden von Piraten als Geiseln genommen, von denen 36 entführt wurden. Ein Seemann wurde getötet. 49 sind aktuell noch in der Hand von Piraten.
Rückblende in die Geschichte: 437 von 493 Passagieren verloren beim Untergang des Hapag-Dampfers „Cimbria“ ihr Leben, als das Auswandererschiff in der Nacht des 19. Januar 1883 von einem englischen Kohlenfrachter vor den ostfriesischen Inseln gerammt wurde und unterging.
An dieses traumatische Ereignis erinnern Exponate im neuen Museum „Windstärke 10“, deren Leiterin Dr. Jenny Sarrazin die damalige Tragödie kurz darstellte, bevor der Lotsenchor Cuxhaven das Thema mit der ergreifenden Moritat von zwei Brüdern, die nach Amerika auswandern wollten und bei dem Untergang ihr Leben verloren, musikalisch aufgriff.
Militärpfarrer Marcus Christ (Foto, l.) aus Nordholz griff in seiner Predigt das Thema Mensch, Natur und Gefahren der Seefahrt auf, in dem er das Bild von Jonas und dem Wal- fisch bemühte. Auf See und an der Küste (Sturmfluten) sei der Mensch den Kräften der Natur in besonderem Maße ausgeliefert, weshalb unter Küstenbewohnern und Seefahrern seit jeher eine ge- wisse Demut und das Vertrauen auf Gottes Hilfe verbreitet seien. „Wer beten lernen will, muss zur See fahren, laute daher auch ein altes Sprichwort an der Küste.
Heute kümmere sich die Deutsche Seemannsmission mit Rat und praktischer Hilfe um Seeleute aller Nationen. Im Cuxhavener Hafen stünden Martin Struwe und sein Team den Besatzungen der Schiffe in vorbildlicherweise zur Seite, sagte Ingo Zegenhagen.
106 Jahre Seemannsmission
Sie sorgten für ein wenig mehr Menschlichkeit in der Seefahrt, in dem sie Zuhören, in Dingen des Alltags helfen und ein bisschen Geborgenheit in der oft fremden Kultur vermittelten. Seit 106 Jah- ren gibt es die Seemannsmission in Cuxhaven.