Psalm 107, 23,24,31 u 32, Predigt im Seefahrersgottesdienst in Wustrow

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Predigt im Seefahrergottesdienst
160 Jahre nautische Ausbildung in Mecklenburg
Kirche zu Wustrow
12.11.2006 (drittletzter Sonntag im Kirchenjahr)
Ps. 107 23,24, 31u.32



Die Gnade, von dem der da war, der da ist und der da kommt, sei mit uns allen. AMEN!
Der Predigtext für den heutigen Gottesdienst steht im 107 Psalm, dem Seefahrerpsalm Vers 23,24 31 u.32

Gebet: Guter Gott, Dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. AMEN!

Genau am 10. November 1996, ebenfalls am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr, liebe Gemeinde, wurden 150 Jahre nautische Ausbildung in Mecklenburg in dieser Kirche gedacht…..
Schön, dass wir es heute, nur mit einer anderen Zahl als Vorzeichen wieder in einer besonderen Form -mit einem Seefahrergottesdienst- feiern.
Als wir damals die Tradition der nautischen Ausbildung in Mecklenburg betrachteten, welche ja hier in Wustrow seinen Anfang nahm, hatten wir große Sorgen, was die Zukunft betraf. Zwar gab es die Fachhochschule in Warnemünde für deren Fortbestand sich vor allen Dingen Prof. Dr. Ulrich Scharnow mit seiner unnachahmlichen Beharrlichkeit engagierte. Die Zahl der nautisch Studierenden allerdings war weniger als mäßig. Immer wieder gab es kompetente Stimmen, die auf die Notwendigkeit einer umfassenden qualifizierten seemännischen Ausbildung auch und gerade in Mecklenburg mit Nachdruck hinwiesen und sie anmahnten.
Heute, zehn Jahre später, stehen wir vor einer ganz anderen Situation. Alle, die sich bis heute für die Fortführung der nautischen Ausbildung am hiesigen Standort Mecklenburg verwandt haben, können mit Stolz auf das Ergebnis blicken: In der deutschen Seeschifffahrt werden dringender als je zuvor deutsche Leitungskräfte benötigt. Es wird auf deutschen Schiffen wieder ausgebildet.
Die Fachhochschule in Warnemünde ist im nautischen Bereich von einer so großen Zahl von Studienanwärtern/innen gefragt, dass über ein NC nachgedacht wird….

Somit waren gestern Abend auf dem Schifferball aus gutem Grund die Gesangbücher mit Henkel dran, heute spielen die Choralbücher des Geistes von der ganz anderen Art eine Rolle….

Ihnen, die sie als Seeleute heute mit uns diesen Seefahrergottesdienst feiern, sind diese Psalmworte gewidmet.


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Überschrieben ist dieser Psalm mit der Formulierung „Herr du hast uns gerettet!“ und beginnt in Vers 1 so: „Preiset den Herrn, denn er ist gut, und seine Gnade hört nie auf“ und setzt sich in Vers 2 u 3. fort: Dies sollen bekennen, die der Herr gerettet hat und aus fernen Landen wieder zurückgebracht- aus Ost und West, aus Nord und Süd….

,Viele sind aus Wustrow aufgebrochen, um, wie es bei Martha Müller-Gählert in „Wo de Ostseewellen trecken an den Strand“ heißt: „In de Welt to fleigen öwer Land un Meer“.
Andere wiederum kamen hier her, um ihre seemännische Ausbildung mit dem Erlangen eines nautischen Patents zu beenden. Nicht wenige davon blieben am Ort, aus vielen guten Gründen.
Alle aber kamen und kommen zurück. Dann wird noch heute von dem erzählt, was an anderen Gestaden erlebt wurde.

Seeleute erleben eine Menge, Seeleute bewegen viel. Es sind nicht nur die millionenfachen Werte der Ladungen, sondern sie sind als Menschen im weltweiten Handel ein Personenkreis, der Kontakte knüpft, der daran beteiligt ist, gegenseitige Vorurteile mit abbauen zu helfen, der in neuen unbekannten Begegnungen immer wieder viel Geschick benötigt.
An Bord der Schiffe herrscht ein buntes Gemisch aus verschiedenen Nationen, Hautfarben, Religionszugehörigkeiten und Sprachen. Auch in dieser Situation bedarf es ein hohes Einfühlungsvermögen, damit Bordgemeinschaft gestiftet werden kann und sie gelingt.
Seeleute sind also nicht die Raubeine, sondern ein Berufsstand der sich immer wieder auf neue Situationen einstellt, die wir, die wir an Land leben, nicht so wahrnehmen.
Auch aus diesem Grund sind Seeleute wichtig.
Mein Vater pflegt noch heute zu sagen: „Seeleute sind Diplomaten zwischen den Völkern“.
Da ist was dran. Gerade in Situationen, in denen kurz vorher ein Krieg beendet wurde und es zwischen den Gegnern erste Annäherungen wieder gibt, spielen Seeleute eine wichtige Rolle. Die ersten Kontakte zwischen einstigen Kriegsgegnern entstehen oft durch alte Handelsbeziehungen, die durch Krieg oder andere Gründe unterbrochen wurden.
Wenn Seeleute dann die erste Reise in ein solches Land unternehmen, dann haben sie nicht nur Handelswahre an Bord sondern als die größte Ladung die Aufgabe Kontakte neu aufzubauen, Zeichen des friedlichen Miteinanders zu setzen.
Genau in diesem Punkt, liebe Gemeinde, kommt der Gott zum Zuge, den viele von uns glauben: Den Gott des Friedens. Den Gott der das auskömmliche Miteinander unter uns will. Den Gott der Gerechtigkeit unter uns Menschen stiften will.
Wenn Seeleute in eben geschilderten Situation spüren, dass der Mensch aus Russland, Vietnam, Nicaragua, Nigeria, Südafrika, China, Nordkorea, Iran, Irak, Japan, Syrien, Israel, USA und Kolumbien, nichts mehr und vor allem nichts weniger als Mitmensch ist und sie es so in diesen Ländern erleben, dann kann Gottes Macht erlebbar werden von der in Vers 24 zu lesen ist.
Wirksam werden kann Gottes Macht in dem Geist, dass Menschen untereinander nach Frieden streben, Gerechtigkeit als eines der wichtigsten

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Güter im Zusammenleben akzeptieren und mit der Wahrung der Schöpfung als Bedingung für das Überleben auf und in dieser Welt Ernst machen.

Handel treiben, liebe Gemeinde war schon immer eine globale Angelegenheit.
Bis vor wenigen Jahren wurde es nicht so genannt, sondern schlicht Welthandel.
An diesem Warenaustausch sind Seeleute immer beteiligt. Ja, seit Jahrtausenden sind Schiffsbesatzungen und Reeder daraus nicht wegzudenken. Ohne sie läuft die ganze Sache nicht. Dieser Transport von Gütern war auch immer mit vielen Erlebnissen verbunden. Sei es an Bord in der Gemeinschaft oder mit den Menschen in den Anlaufhäfen. Hier gilt es sich auf die Mentalität, die Sitten, Gebräuche und Traditionen der Menschen anderer Länder einzustellen.
Im Zuge der Einführung des Containers vor 50 Jahren reduzierte sich der intensive Kontakt zu Menschen in den ausländischen Häfen beträchtlich. Heute machen sich diese Begegnungen eher an einen schiffsrelevanten Personenkreis fest wie Lotsen, Makler, Stauer, Schiffsbesichtiger, Schiffshändler, Serviceunternehmen und auch der Seemannsmissionen.
Dennoch, das Wissen um die örtlichen Gegebenheiten und darum wie die Menschen dort ticken, ist - aus meiner Sicht- nicht nur nüchternes Kalkül, um gut über die Runden zu kommen, sondern es drückt auch zugleich den Respekt vor den Menschen der unterschiedlichen Nationalitäten in ihrem Lebenskontext aus.
Ist dies nicht das Minimum von Friedensarbeit, welches wir voneinander erwarten dürfen? Oft, wenn ich mit Seeleuten über ihre wichtige Funktion rede, winken sie in aller Bescheidenheit ab, weil es für viele von ihnen eben eine Selbstverständlichkeit ist. Mag sein, immerhin eine sehr wichtige Selbstverständlichkeit, die im Zuge der Globalisierung der letzten 20 Jahre immer mehr in den Hintergrund getreten zu sein scheint.
Das für diese Form des Umgangs miteinander trotz der schnellen Hafenfolgen, der nahezu Menschenleere auf den Containerterminals wie in HH-Altenwerder und der hektischen Betriebsamkeit an Bord und an Land immer noch Zeit möglich ist, könnten wir das nicht auch als eine wunderbare Gnade verstehen, die Gott den Fahrensleuten erleben lässt und für die wir ihm dankbar sein sollten?

Damals und heute erzählen Seeleute von ihren Erlebnissen und Erfahrungen, wobei vieles sich wirklich zuträgt und nicht notwendiger Weise Seemannsgarn sein muss. Sie berichten nicht wie ein Journalist von dem was ihnen auf ihren Reisen widerfahren ist, sondern ihre ganze Person erzählt mit. Dadurch wird alles authentisch. Dann wird für Zuhörende verständlich, was Seeleute auch heute noch wagen, wenn sie hinaus fahren.
Kaum ein Berufsstand ist der Schöpfung so nahe wie der der Seeleute.
Es bedarf einer Menge Vertrauen, um wieder abreisen zu wollen. Vertrauen darauf auf einem sicheren Schiff anzuheuern, eine gute Bordgemeinschaft anzutreffen, mit gut ausgebildeten Kollegen/innen zusammenzufahren und dass es eine gesunde Heimkehr gibt.
Dafür steht in dieser Kirche das Bild vom sinkenden Petrus. Dieser Fischer wagt was und am Ende wird sein Vertrauen, trotz Selbstzweifel, nicht enttäuscht. So wie er damals sind auch heute noch Seeleute den Kräften der

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Natur ausgesetzt. Daran ändert auch ein Containerriese wie die „Emma Maersk“ nichts, die mit einer Kapazität von mehr als 10.000 Containern über die Meere fährt. Das Gefahrenpotential bleibt das gleiche….Gerade in den letzen Wochen haben wir in unseren Breiten zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir im Letzten dem Kräftespiel der Natur unterlegen sind.

Gedenken wir in diesem Augenblick der 2 Seeleuten , die bei dem Untergang der „Finnbirch“ vor Öland ihr Leben verloren sowie den 4 Besatzungsmitgliedern des Fischkutters „Hohe Weg“ nach denen vergeblich in den letzten Tagen gesucht wurde und hören wir dazu Worte aus dem 130 Psalm: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr zu dir: Herr, höre meine Stimme! Wende dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen! Ich hoffe auf den Herrn, ich warte voll Vertrauen auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen. Denn beim Herrn ist die Huld, bei ihm ist Erlösung in Fülle“

Zu dem, was an Urkraft auf See anzutreffen ist bemerkte einmal ein indischer Kapitän, der auf seiner Reise nach Rostock einen Taifun und mehrere andere Unwetter durchzustehen hatte, dass er einen ausgewachsenen Sturm oder andere Unwetter auf See nicht als Naturgewalt empfinde, sondern als das ungezügelte Spiel der Naturkräfte. Aus seiner Sicht, würde er Naturgewalt als Ausdruck von Menschen dafür verstehen, dass es nicht gelingt diese Art von Gewalt zu beherrschen. Kräfte hingegen, so der Kapitän weiter, die stärker sind als der Mensch, respektiere er in dem er ihnen aus dem Weg geht. Also bestrebt ist, mit seinem Schiff ihnen auszuweichen oder den schützenden Hafen zu suchen.
Das drückt für mich einen tiefen Respekt vor dem aus, was Schöpfung ist und kann und vor dem der sie erschaffen hat.
Diese Haltung treffe ich bei vielen Seeleuten an. Besonders dann, wenn sie von langen Überfahrten froh sind wieder für einige Zeit festen Boden zu betreten
Wenn sie bei verschiedenen Gelegenheiten von Unwettern und anderen Unwägbarkeiten während der Reise erzählen aber auch von all dem woran sie sich erfreut haben und sich gern erinnern, kommt mir oft dabei Vers 32 des heutigen Predigtextes in Erinnerung: „Wenn sich das Volk versammelt, sollen sie seine Größe rühmen und ihn vor dem Rat der Ältesten loben“.
Menschen von der See in unseren Gefilden mögen es nicht immer gleich so direkt ausdrücken, sondern umschreiben lieber mehr was sie bewegt.
Dann liegt es an uns, die wir uns als Volk um sie versammeln, ihnen gute Zuhörende sind und eine Sensibilität dafür entwickeln, wann und wie Freude und Dankbarkeit -verstanden als rühmen und loben- geäußert wird. Manchmal geschieht dies durch einen gewissen schwarzen Humor oder durch ein erleichterndes Seufzen und auch durch ein besonderes Leuchten in den Augen verbunden mit einer kleinen Geste, die mehr als Worte ausdrückt. Dafür hängen die drei Votivschiffe als Symbol der Freude und Dankbarkeit für alle Bewahrung in dieser Kirche und erinnern das Volk, uns die Gemeinde, dass dort draußen auf See Menschen aus diesem Ort und von wo anderswo unterwegs sind und die wir mit in unser beten bedenken.
Gerade solche Orte wie Wustrow, wo Fahrensleute sich vom Volk verstanden fühlen, weil sie dort zu Hause sind, strahlen eben dies nach außen.
Hier entsteht dann eine besondere Kultur, von der alle etwas haben. Es macht die Umgebung in gewisser Weise reich.

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Mit dem heutigen Sonntag beginnt die Friedensdekade der Kirchen, die bis zum Bußtag dauert.
Ich finde, es passt gut, dass hier in Wustrow diese Tage mit einem Seefahrergottesdienst beginnen. An einem Ort wo doch so einige Cosmopoliten leben. auch als solches können Seeleute verstanden werden. Es sind eben diese Menschen die auf ihre Art und mit einer Menge Kleinigkeiten helfen, dass diese Welt menschlich bleibt.

Das ist wunderbar. Dafür liebe Gemeinde dürfen wir Gott, nicht nur heute, sondern gern auch bei anderen Gelegenheiten, gern preisen und loben.
AMEN!

Und der Friede Gottes, welcher Höher ist als all unser Denken und Handeln bewahre unsere Herzen in Christus Jesus
AMEN!


 

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