Predigt zum Sommerfest 2006
Pastor Jochen Driesnack
Predigt
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde!
Ein paar Gestalten aus Filmen und Literatur aber auch ein paar Lieder sind die Quelle für das, was ich mit Seefahrt verband, bis ich 16 Jahr alt war - abgesehen von den Fischkuttern aus Eckernförde, wo ich aufgewachsen bin und den Schiffen, die Getreide aus unseren Silos in die weite Welt verschifften.
Ich denke da an :
What shell we do with a drunken Sailor,
Wir lieben die Stürme die brausenden Wogen
Klaus Störtebecker,
der rote Korsar,
das Wappen von St. Marlow,
und eben auch ein Lied, das hieß:
Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren.
Im alten „Liederbuch für Schleswig Holstein" in der Ausgabe von
1965" ist der Text noch abgedruckt, wo es heißt: Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren müssen Männer mit Bärten sein. (Pastor liest weiter aus dem Liederbuch vor.......)
Und man wundert sich, das mit Singapur eine Gegend auf der Landkarte angegeben ist, in der gerade auch heute „Kaperfahrten" an der Tagesordnung stehen.
Moderne Piraterie, die nicht nur Geld und Gut der Seefahrer verschwinden lässt, wie Laptops, Videoequipment sondern auch Familienfotos, Zeichnungen der Kinder, Bücher und Andenken an zu Hause. Denn Seeleute leben dort, wo sie arbeiten.
Moderne Piraterie, die es auf bestimmte Teile der Ladung oder sogar ganze Schiffe abgesehen hat. Letztere werden manchmal irgendwo leergeplündert wiedergefunden. Manchmal mit noch lebender Crew und manchmal nicht.
Moderne Piraterie, die mit Maschinengewehren und Raketenwerfern täglich weltweit massive Gewaltakte gegen Schiffe und Besatzungen bedeutet.
Moderne Piraterie, die immer wieder eben auch Menschenleben kostet, die aber trotz allem nicht erfolgreich geahndet oder bestraft wird. Piraten werden selten gefasst und verurteilt. In wie weit, so muss gefragt werden, hat die weltweiter Gesellschaft hier ein Unrechtsbewusstsein und die Bereitschaft, diese Gewalttaten als verurteilenswert und untolerierbar anzuerkennen?
Moderne Piraterie, die auf bestimmte Routen und Gebiete zur Zeit noch beschränkt erscheint, die aber ja jeden Tag wieder potentielle neue Opfer auf dem Radarschirm entdeckt, weil immer wider ein Schiff vorbeikommt.
Tragischerweise zum Teil mit Besatzungsmitgliedern, die vielleicht in eben jenem Fahrtgebiet schon einen Überfall miterleben mussten.
Statt über ihre Gefühle zu sprechen, über ihre Ängste, über Befürchtungen, über die Dankbarkeit das letzte mal am Leben geblieben zu sein, sprechen Seeleute über die Art und Weise, wie sie und was sie alles verschließen. In ihrer Kammer und im ganzen Schiff. Wie sie versuchen die Piraten von den wirklich wertvollen Dingen abzulenken und sich am Ende durch die Möglichkeiten des Einschließens nur die Illusion schaffen, das es auf dem Schiff irgendwo doch sicher ist. Anders werden sie mit der emotionalen Belastung im Krisengebiet oft nicht fertig. An Bord wird in der Regel nicht besprochen, was passiert ist und wie die Person, die etwa attackiert wurde, sich fühlt. Und den Urlaub - zu Hause - soll das, was an Bord passiert ist, auch nicht überschatten.
Oft ist deshalb erst in den Stationen der Seemannsmission der Raum, das bisschen Zeit und die Gelegenheit, über die traumatischen Erfahrungen dieser Menschen zu sprechen.
Wir von der Seemannsmission dürfen diese Menschen nicht allein lassen! Wir müssen lernen, auf das was da berichtet zu hören indem wir uns mit dieser Extremsituation, wie sie nun mal auf Schiffen vorkommt, befassen.
Ein Sohn erzählt über seinen Vater: „Er fuhr als normaler Mensch weg und kam total grauhaarig wieder. Den haben sie auch überfallen und auch mit einem Gewehr bedroht. Den hat das ganz schön mitgenommen und lange beschäftigt."
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!
Es gibt Situation, die ähnlich wie eben berichtet, den Menschen den Boden unter den Füßen wegziehen.
Es kann eine Bombendrohung,, eine Krankheit, oder ein schwerer Unfall sein. Was haben wir nicht alles in der Zeitung gelesen über Bauern, die ihre Höfe aufgeben mußten. Über Menschen, die private Insolvenz anmelden oder ihre Häuser versteigern lassen mußten. Wie wird es wohl einem Menschen gehen, der das Geschäft, das die Eltern aufgebaut haben endgültig aufgeben muß? Und die vielen Arbeitslosen, über die wir meist nur noch Prozentzahlen zur Kenntnis nehmen. Was wissen wir über die Menschen dahinter?
Ich habe festgestellt, dass es viele Menschen gibt, die ganz alleine oder mit dem Partner zusammen diese traumatisierenden Erfahrungen verarbeiten mußten.
Da nicht vom Glauben abzufallen, wie junge Leute manchmal formulieren, das ist gar nicht so selbstverständlich.
Und da finde ich es so tröstlich, wie Paulus einen Raum eröffnet, in dem wir uns ganz sicher fühlen dürfen, ohne uns einzuschließen oder alles abzuschließen, ohne gefühlskalt zu werden oder nur noch im Gefängnis leben zu müssen, weil wir uns selbst aus Angst vor dem Unglück eingekerkert haben.
Da schreibt er einfach:
Denn ich bin gewiß, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.
Dies klingt für mich wie ein Geschenk. Weil mich etwas trägt, weil da ein Fundament für mein Leben auftaucht, dass ich nicht gebaut habe. Und Paulus sagt, diesen Halt kann mir niemand nehmen. Nichts kann mich von Gott trennen. Von seiner Liebe. Mit weniger Geld, für den Fall der Arbeitslosigkeit, kann man lernen umzugehen. Dauert, aber geht. Mit zerstörter Ehre, übler Nachrede und fehlendem Selbstbewußtsein kann mich nicht lernen zu leben. Und Gottes Liebe ist so ein Punkt, an dem alle Aussichtslosigkeit und alle marternden Selbstzweifel durchbrochen werden. Denn ich bin gewiß, schriebt der Apostel.
Diese Gewißheit ist auch drei Fischern aus Mexiko zugewachsen, die jetzt nach 9 Monaten von einem Taivanesischen Fischtrawler aus Seenot geretten wurden.
In der Zeitung war der Bericht betitelt mit der Zeile: Mit Bibel und Kompass.
8000 Kilometer sind sie mit ihrem Boot auf dem Pazifischen Ozean getrieben, haben Stürme und Hunger und Durst überstanden. Haben in der Bibel gelesen und haben ihre Hoffnung auf Rettung und sich selbst nicht aufgegeben. Haben durch ihren Kompass gewußt in welche Richtung die „Reise" ging. Haben die Bibel nicht weggeworfen, ihren Glauben nicht verloren, weil manch ein Schiff in Sichtweite an ihnen vorbeigefahren ist, obwohl sie als Schiffbrüchigen wahrgenommen worden waren.
Liebe Gemeinde!
Ich finde dies ist eine großartige Geschichte, durch die Gott unseren Glauben stärken kann, damit wir mit Paulus sagen können: ich bin gewiss, dass nichts mich trennen kann von der Liebe Gottes? Nicht Sturm, nicht Hunger oder Durst, nicht die fehlende Hilfsbereitschaft von Menschen, nicht der Neid oder die Gier, die beschnittene Ehre oder der ausbleibende Erfolg?
Mit Bibel und Kompass.
Ja dieser Kompass ist ja sehr wichtig. Er steht, so habe ich mir überlegt, für das eigene Tun in dieser Geschichte. Eigenes tun? Außer angeln und Trinkwasser sammeln war der Versuch sich mit Hilfe des Kompass zu orientieren auch aktives Handeln. Auf den Seekarte, die sie verinnerlicht hatten, zeichneten sie den Weg ein, den sie treibend jeden Tag zurückgelegt hatten.
Bete und Arbeite sind zwei weitere Komponenten um das Leben zu bewältigen, die auf den Heiligen Benedikt zurückgehen.
Ich wünsche mir, das ich gerade dann das Beten nicht lasse, wenn ich der Meinung bin, dass es ganz doll auf meine Leistung und auf meine Aktivität ankommt. Ich denke, dass das Gebet verhindert, dass Panik in meinem Herzen ausbricht, weil der Druck ständig steigt. Ich wünsche mir, dass ich mich nicht in falscher Sicherheit wiege, dass ich nicht die Orientierung verliere, auch wenn alles dunkel um mich ist. Ich wünsche mir, dass Gott in mir diesen Raum öffnen kann in dem sich die Kraft entfalten kann, die in der Gewißheit des Paulus steckt:
Denn ich bin gewiß, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. Amen