Bibelarbeit zu 1 Petr 2,3-10 (Einheitsübersetzung), Pfarrer Wolfgang Pautz-Wilhelm, Mäntyluoto

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Bibelarbeit am Freitag, den 11. Juli 2014,
während der Weltkonferenz der Deutschen Seemannmsision
in Breklum vom 7. bis 11. Juli 2014
von Wolfgang Pautz-Wilhelm, Mäntyluoto

[”Schwarz” und ”Rot” stehen für zwei Kopfbedeckungen, die der Vortragende während der Bibelarbeit trägt.]
[Die Methode Statuen zu bauen, muss vor der Bibelarbeit erläutert werden.]

Textlesung 1 Petr 2,3-10 (Einheitsübersetzung)
Denn ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist. Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen. Denn es heißt in der Schrift:
Seht her, ich lege in Zion einen auserwählten Stein,/ einen Eckstein, den ich in Ehren halte;/ wer an ihn glaubt, der geht nicht zugrunde.
Euch, die ihr glaubt, gilt diese Ehre. Für jene aber, die nicht glauben, ist dieser Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden, zum Stein, an dem man anstösst, und zum Felsen, an dem man zu Fall kommt. Sie stoßen sich an ihm, weil sie dem Wort nicht gehorchen; doch dazu sind sie bestimmt. Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. Einst wart ihr nicht sein Volk, jetzt seid ihr Gottes Volk; einst gab es für euch kein Erbarmen, jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden.

1. Station: Steine

Schwarz
Ein Stein, an dem sich die Geister scheiden: für die einen ein kostbarer Stein, für die anderen der Stein, den die Bauleute verworfen haben; für die einen Inbegriff der Ehre - für die anderen ein Stolperstein, ein Stein des Anstoßes.

Rot:
Anstößig? Vielleicht. Unverständlich in jedem Fall. Und das stößt mich ab.
Lebendige Steine, das ist doch ein Oxymoron, ein Paradox, zwei Dinge, die nicht zusammen passen; so wie in dem Gedicht:
Dunkel war's, der Mond schien helle, schneebedeckt die grüne Flur, als ein Wagen blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr.

Schwarz:
Wie in einem Steinbruch bedient sich Autor dreier alttestamentlicher Zitate und zieht sie zusammen, um den lebendigen Stein und seine Bedeutung zu erläutern:

”Dieser Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden, zum Stein, an dem man anstösst, und zum Felsen, an dem man zu Fall kommt.”

Das Zitat des Proheten Jesaja vom Stein des Anstoßes und vom Stolperfelsen hat zuvor schon Paulus verwendet (Röm 9,32f). Er wandte es auf Israel an, das in Jesus nicht den Christus erkennt. Einige Jahrzehnte später versteht der Autor des 1. Petrusbriefs diesen Stein in Hinblick auf die heidnische Umwelt der christlichen Gemeinden. Die christlichen Gemeinden grenzen sich nun nicht mehr vom Judentum ab, sondern sehen sich mit einer Welt konfrontiert, die nicht durch Christus verändert wurde.

Rot:
In seinem Programm Liebe, dessen Update 2011 von 3sat übertragen wurde und das auf You Tube abrufbar ist, hat der Kabarettist Hagen Rether sich mit dieser sprachlichen Figur des Oxymorons beschäftigt:
Vor seinem Flügel sitzend isst er eine Banane und erzählt: ”Das ist ein Biobanane. Die ist in einem Flugzeug mit Rapsöl eingeflogen worden.” Er nennt dann weitere Oxymora oder Paradoxien, darunter die Klassiker herrenloses Damenfahrrad und Doppelhaushälfte. Seine Favoriten sind Brennholzverleih und Microsoft Works.
Aber auch Personen erscheinen paradox. Rether führt aus:
”Es gibt junge linke Globalisierungskritiker, die aber nur Niketurnschuhe tragen. Was macht man mit solchen Leuten? Die finden sich ganz toll und tragen Kinderarbeitsschlappen.
Der Dalai Lama fliegt durch die Welt und predigt Einklang mit dem Kosmos; der Mann hat die CO2 Bilanz eines Kohlekraftwerks; aber der darf das, weil der nett ist.”

Lebendige Steine...
... nähern wir uns von der einen Seite und behauen Steine.

Bitte findet euch zu dritt zusammen, einigt euch auf einen Bildhauer, dem ihr zwei anderen euch als Material zur Verfügung stellt. Der Bildhauer stellt eine Statue her mit dem Namen ”Leben”.

2. Station: Fremdlinge

Schwarz:
Der 1. Petrusbrief ist geschrieben an Fremdlinge, die verstreut in den Provinzen des römischen Reichs wohnen. Aus dem Brief wird deutlich, dass die Gemeinden Anfeindungen erlebt haben, verleumdet und verfolgt wurden, ohne dass schon von einer systematischen Verfolgung gesprochen werden kann.
Der Schreiber des Briefs reagiert auf diese Situation und reflektiert, wie die Christen ihr Leben in solch einer Situation gestalten können und sollen.

Die Christen werden als parepidemos und als paroikos bezeichnet. Beides sind Bezeichnungen für Menschen, die als Fremde im Land leben.
Bemerkenswerterweise ist die Bezeichnung
paroikia für das Leben in der Fremde die sprachliche Grundlage des heutigen Begriffs der Parochie für Kirchengemeinde, im Englischen parish.

Seine Anweisungen, Hinweise und Ratschläge erteilt der Schreiber ausdrücklich an Fremde und Pilger.
Die Trennlinie zum Fremden wird deutlich im Verhältnis zu Christus gezogen. Der kostbare Eckstein für die einen, der anstößige Stolperstein für anderen, ist ein Grenzstein, der Eigenes und Fremdes trennt.

Rot:
Wo verläuft die Trennlinie heute?
Zwischen den Religionen? Zwischen den Konfessionen? Zur säkularen Gesellschaft?
Laut Encyclopedia Britannica von 2001 gehörten etwa 2,1 Milliarden Menschen einer christlichen Kirche an. Das entsprach etwa einem Drittel der Weltbevölkerung. Das ist eine große Minderheit, aber eine Minderheit!

Laut Wikipedia gehören weltweit 1,2 Milliarden Menschen der katholischen Kirche an;
je nach zählweise gehören 200 bis 600 Millionen Menschen einer Pfingstkirche an; einer Orthodoxen Kirche gehören etwa 300 Millionen Menschen an. Mehr als 80 Millionen Menschen gehören einer Mitgliedskriche der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen an. Etwa 74 Millionen gehören einer der lutherischen Kirchen an. Das ist eine sehr kleine Minderheit mit Anspruch auf die rechte Lehre.

Rot und Schwarz:
Der Glaube an Christus verändert euch, aber nicht zwingend auch die Welt, in der ihr lebt. Nur seht ihr sie jetzt mit anderen Augen. Die Dinge haben jetzt eine andere Bedeutung für euch. Ihr steht damit nicht allein, aber ihr seid eine Minderheit. Ihr seid Fremdlinge. Ihr seid
strange.

Wie wollt ihr leben in einer Welt, die euer Selbstverständnis nicht teilt, die das, was für euch das Wichtigste ist, nicht so wichtig nimmt? Wollt ihr euch abgrenzen, ausgrenzen, zurückziehen?
Oder wollt ihr euch anpassen, eure Identität aufgeben, euch assimilieren?
Gibt es eine Möglichkeit, in der Fremde zu leben, ohne euch zu verleugnen?

Bitte findet euch zu dritt zusammen, einigt euch auf einen Bildhauer, dem ihr zwei anderen euch als Material zur Verfügung stellt. Der Bildhauer stellt eine Statue her mit dem Namen ”Das Fremde”.

3. Station: Zwischenstation

Schwarz:
Der Schreiber des Briefs erinnert die Gemeinden an ihre Erfahrungen. Sie legen sich wie eine Klammer um die Betrachtung der lebendigen Steine.
”Ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist.” (V3)
”Einst wart ihr nicht sein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk; einst gab es für euch kein Erbarmen, jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden.” (V10)
Diese Erfahrungen sollen sie keinesfalls verschweigen, sondern sie sind ausdrücklich dazu aufgefordert, die großen Taten dessen zu verkünden, ”der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.” (V9)

Rot:
Die Besinnung auf die eigene Glaubensbiographie ist die Grundlage, auf der alle Gedanken über das Leben in der Fremde aufbauen können. Gewissermaßen die Besinnung auf die eigenen Ressourcen. Der Blick auf die eigene Identität kann wichtig sein, um an der Begegnung mit dem Fremden nicht zu verzweifeln. Gleichzeitig auch ein Plädoyer für öffentliches Christentum! Kein Rückzug ins Private, sondern Verkündigung mit Worten und Taten.

Bitte findet euch zu dritt zusammen, einigt euch auf einen Bildhauer, dem ihr zwei anderen euch als Material zur Verfügung stellt. Der Bildhauer stellt eine Statue her mit dem Namen ”Das Vertraute”.

4. Station: Die Gemeinde ist eine Baustelle

Schwarz:
Der 1. Petrusbrief schlägt seinen Lesern vor, die Welt, wie sie ist, zu akzeptieren, ohne in ihr aufzugehen.
Er betont einerseits deutlich die Besonderheit des christlichen Glaubens und will sie nicht aufgeben. Andererseits sieht er keine Notwendigkeit, sich vollständig aus der Gesellschaft zurück zu ziehen oder gegen die Gesellschaft vorzugehen.
Der christliche Glaube ermöglicht sowohl in der heiligen Gemeinde als auch in der profanen Gesellschaft zu leben. Der kroatische Theologe Miroslav Volf hat vorgeschlagen, diese Haltung als ”weiche Differenz” zu bezeichnen. Die weiche Differenz ist Ausdruck eines ”Sich-nicht-ganz-zu-Haue-Fühlens”. Sie ist sich der Unterschiede und Gegensätze bewusst, will aber nicht die Kollision mit dem anderen.

Rot:
Nur um den Kontrast zu verdeutlichen: eine ”harte Differenz” sucht die Kollision und folgt einer Logik der unversöhnlichen Gegensätze, des Entweder-oder. Dies lässt sich allenthalben beobachten. Entweder-oder ist die Logik des Krieges. Da bleibt am Ende keine Stein auf dem anderen.
Ihr müsst euch entscheiden: EU oder Russland.
Ihr müsst euch entscheiden: für uns oder gegen uns.
Da findet man sich auch schnell mal auf der Achse des Bösen wieder!
Mitunter wird es gänzlich alternativlos, aber schon zwei Möglichkeiten bieten nicht wirklich eine freie Wahl.

Rot und Schwarz:
Wir erlauben uns, ausgehend von unserer Lektüre des 1. Petrusbriefs, die Formulierung dreier Thesen:

1. These: Weltflucht ist nicht die Antwort.

Mit den Steinen wird keine Trutzburg gebaut, um das Eigene gegen alles Fremde zu verteidigen. Solche Steine sind tote Steine. Christlicher Glaube ist stark genug, um dem Fremden offen zu begegnen. Wir sind dazu aufgefordert, unsere Fremdheitserfahrungen zu ertragen.

2. These: Konfrontation ist nicht die Antwort.

Die Steine werden nicht verwendet, um alles Fremde zu erschlagen und zu zerstören. Solche Steine sind tödliche Steine.
Christlicher Glaube muss das Fremde nicht beseitigen, er kann und will mit ihm leben. Wir sind geradezu aufgefordert, in und mit der Vielfalt zu leben.

Weltflucht und Konfrontation sind gleichermaßen Ausdruck einer harten Differenz. Beide münden auf ihre Art in die Verkündigung des Weltuntergangs.
Die Weltflucht lässt die verkommene Welt vor die Hunde gehen.
Die Konfrontation will die Welt, wie sie ist, entweder sich selbst gleich machen oder sie zerstören.

3. These: Unsere Antwort ist die weiche Differenz.

Die Steine werden verwendet, um ein geistliches Haus zu bauen, das dem Eigenen einen Ort gibt und gleichzeitig auf das Fremde hin offen bleibt. Dazu werden lebendige Steine benötigt.
Christlicher Glaube bewahrt sich seine Distanz zur Welt und beansprucht eine eigene Sicht der Dinge. Christen sind und bleiben Fremde in der Welt. Die christliche Gemeinde ist und bleibt eine Baustelle.

Bitte findet euch zusammen, seid Bildhauer und seid Material für den Bildhauer. Lasst uns alle zusammen eine Statue bauen, ein geistliches Haus mit Vertrautem, Fremdem, Lebendigem.

[Im Innern des Hauses:]
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.

[Der Vortragende fügt sich selbst an geeigneter Stelle ins Haus ein.]

Alle: Vater uns

 

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