Bereits 55.000 Flüchtende in Europa angekommen – aber mehr als 1.400 Menschen ertrunken
Das sind offizielle Zahlen der Organisation für Migration IOM. Die inoffiziellen Zahlen sind weitaus größer. Wir betrachten immer die Ankünfte und die Maßnahmen der professionellen Retter. Eine Gruppe von Menschen bleibt aber komplett außen vor – die Handelsschifffahrt. Diese übernimmt jedoch den weitaus größten Teil der Rettungsmaßnahmen, dies aber mit Schiffen, die dafür nicht geeignet sind, mit Menschen, die dafür nicht ausgebildet sind und vor Allem auch danach nicht psychologisch betreut werden. Wussten Sie, dass Handelsschiffe mehr als 90 % aller Waren auf der Welt transportieren?
„Seeleute der Handelsschifffahrt sind keine professionellen Flüchtlings-Retter!“
Die Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission zu den aktuellen Zahlen der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer
Heike Proske, Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission e.V., ruft die deutschen und europäischen Politiker auf, der besonderen Situation von Seeleuten im Mittelmeer endlich mehr Beachtung zu schenken. „Die Schiffe und ihre Besatzungen sind nicht darauf vorbereitet, eine größere Anzahl von Flüchtenden aufzunehmen. Seit Jahren steigt die Zahl der flüchtenden Menschen, die im Mittelmeer aus Seenot vor dem Ertrinken gerettet werden, 2016 waren es mehr als 50 000 Gerettete. Es ist nicht Aufgabe der Crews normaler Handelsschiffe, Menschen aus seeuntauglichen Booten im Mittelmeer auf ihre Schiffe aufzunehmen. Daher sind sie mit jeder Aufnahme schnell überlastet“, so Proske. Die Versorgungsmöglichkeiten und Einrichtungen der Schiffe seien auf die kleinen Besatzungen abgestimmt. Es fehle im Ernstfall an Notwendigem wie Lebensmitteln (vor allem Trinkwasser in herausgebbaren Mengen), Geschirr, Betten und sanitären Anlagen. „Eine Crew, die den normalen Schiffsbetrieb gewährleisten soll, ist überfordert, eine große Menge an Flüchtlingen zu versorgen“, so Heike Proske. Neben allen Rettungseinsätzen müssen Seeleute ihren normalen "Job" weiter konzentriert ausführen, damit das Schiff mit Besatzung, Flüchtlingen und Ladung sicher den nächsten Hafen erreicht. Hinzu komme, dass die Seeleute in hohem Maße seelisch belastet würden mit den menschlichen Dramen und vielen Todesfällen: „Die Seemänner bleiben oft alleine mit ihren möglicherweise traumatischen Erfahrungen.“
In den Stationen der Seemannsmission wie z.B. in Alexandria, Ägypten, erhalten die Seeleute Beratungs- und Gesprächsangebote, um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.
Die finanzielle Ausstattung der Deutschen Seemannsmission als eigenständigem Verein wird durch Mittelkürzungen u.a. der Evangelischen Kirche Deutschland immer komplizierter. In den nächsten Jahren werden Stationen im Ausland aufgegeben werden müssen, sofern keine andere Hilfe aus Deutschland kommt. Proske verweist darauf, dass weltweit über 90 Prozent aller gehandelten Güter mit dem Schiff transportiert werden. „Gerade dem Exportweltmeister Deutschland hilft die Handelsschifffahrt,“ so Proske. „Aber wir lassen die Menschen, die unseren Wohlstand sichern, alleine.“
Um die Arbeit bekannter zu machen, hat die Deutsche Seemannsmission auf dem Evangelischen Kirchentag und bei der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum in Wittenberg Informationsstände. Daraus entstehende Spenden sind eher ein „Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen nachhaltig Mittel für unsere Auslandsstationen, um Seeleuten auf unseren Exportwegen auch weiterhin Beistand leisten zu können,“ fordert Heike Proske.